Mit den Bauernprotesten betritt ein neuer, außerparlamentarischer Akteur das Spielfeld. Wie Jürgen Elsässer schreibt, öffnet sich neben dem parlamentarischen Schauplatz nun ein neuer Möglichkeitsraum: der “gewaltlose Zwang” durch organisierten, kollektiven Ungehorsam. Begriffe wie “Generalstreik”, “Blockade” und “Platzbesetzung” tauchen erstmals seit langem in der deutschen politischen Debatte auf und klingen nicht wie reine Fantasieprodukte. Die Bilder von tausenden Traktoren, blockierten Autbahnknotenpunkten und Logistikzentralen verleihen diesen Worten Gewicht. Möglicherweise kommen in den nächsten Tagen stellenweise Bilder von leeren Supermarktregalen dazu. Höchste Zeit, auch über die Theorie hinter dieser revolutionären Praxis nachzudenken. Ich beziehe mich dabei auf einige Vordenker, die über den Widerstand gegen offene Diktaturen nachdachten.
Das trifft auf unser System derzeit (noch) nicht zu. Doch auch in (Post)Demokratien ist ziviler Ungehorsam wirksam und wichtig.
Die weltanschaulichen Basis dieser Solidarität mit dem Bauern liegt auf der Hand. Als Verkörperung des “Somewheres” (nach David Goodhart), sind sie ein logisches “revolutionäres Subjekt” gegen den Great Reset. Dazu gibt es aber auch einen strategischen Grund:
Ein erfolgreicher Bauernprotest könnte einen massiven Autoritätsverlust für die Ampelregierung und die globalistische Ideologie insgesamt bedeuten. Je mehr sie die Bauern verteufeln und als “rechts” framen, desto schwerer würde dieser Sieg wiegen. Je weiter die Proteste gehen, desto mehr würde unsere “people power” für kommende Kampagnen wachsen.
Normalerweise ist das Gewaltmonopol eines autoritären Systems so unanfechtbar, dass jede politische Veränderung, die aus den erlaubten Bahnen ausschert, Selbstmord wäre. Die massiven Mittel, die jedes System hat; Überwachung, Fahndung, Sofortzugriff auf jede Person, jedes Handy, das Zutrittsrecht in jedes Haus und auf jedes Grundstück - all das kann unter normalen Umständen, durch keine noch so konspirative und gute Organisation wett gemacht werden. Da politische System in allen Ländern gelegentlich totalitär werden, und keine demokratische Evolution mehr zulassen, stehen wir vor einem veritablen Problem. Wie bekommt man eine Diktatur wieder los? Wie schafften jemals Unterdrückte eine Revolution?
“Waren die Leute, die gegen eine so erdrückende Übermacht auch nur zu rebellieren versuchten, einfach wahnsinnig? Und wie erklären sich denn erfolgreiche Revolutionen oder auch nur eine vorübergehende Machtergreifung? Die Lösung des Rätsels ist einfach. Einmal ist die Kluft zwischen staatlichen Gewaltmitteln und dem, womit das Volk sich zur Not bewaffnen kann - von Bierflaschen und Pflastersteinen bis zu Molotow-Cocktails und Schuß-waffen - schon immer so enorm gewesen, daß die modernen technischen Errungenschaften kaum ins Gewicht fallen. Zum anderen ist die verbreitete Vorstellung von der Revolution als Folge des bewaffneten Aufstands ein Märchen. (…) Wo Gewalt der Gewalt gegenübersteht, hat sich noch immer die Staatsgewalt als Sieger erwiesen. Aber diese an sich absolute Uberlegenheit währt nur solange, als die Machtstruktur des Staates intakt ist, das heißt, solange Befehle befolgt werden und Polizei und Armee bereit sind, von ihren Waffen Gebrauch zu machen. Ist das nicht mehr der Fall, so ändert sich die Situation jählings. Nicht nur kann der Aufstand nicht niedergeworfen werden, die Waffen wechseln die Hände, und zwar manchmal, wie etwa in der Ungarischen Revolution, binnen weniger Stunden.”
Das schreibt Hannar Arendt in ihrem berühmten Essay “Macht und Gewalt” über die politische Revolution. Sie erkennt klar, dass ein Volk, egal wie idealistisch und gut organisiert es ist, einer entschlossenen Staatsgewalt militärisch nichts entgegenzusetzen hat. Dieselbe Meinung vertritt Gene Sharp, der “Clausewitz des gewaltfreien Widerstands”:
“Wenn man auf gewaltsame Mittel vertraut, entscheidet man sich genau für die Art von Kampf, bei der die Unterdrücker so gut wie immer überlegen sind. Die Diktatoren verfügen über die Ausrüstung, um auf überwältigende Art Gewalt auszuüben. Ganz gleich, wie lange oder kurz diese Demokraten durchhalten, am Ende entscheiden in der Regel die harten militärischen Realitäten. In punkto militärischer «hardware», Munition, Transportmöglichkeiten und Größe der Streitkräfte sind die Diktatoren fast immer überlegen. Bei aller Tapferkeit sind die Demokraten (so gut wie immer) kein ebenbürtiger Gegner.”
Wenn eine politische Revolution nicht den Sieg militärischer Mittel über den Staat darstellt, was genau zwingt eine Diktatur dann zum Abdanken? Wie kann eine politische Revolution gegen ein autoritäres System überhaupt organisiert werden? Hören wir weiter an, was Arendt zu sagen hat:
”Erst wenn dies geschehen, wenn der Zusammenbruch der Staatsmacht offenkundig geworden ist und den Rebellen erlaubt hat, sich zu bewaffnen, kann man überhaupt von einem »bewaffneten Aufstand« sprechen, der oft überhaupt nicht mehr erfolgt. (…) Wo Befehlen nicht mehr gehorcht wird, sind Gewaltmittel zwecklos. Und für die Frage dieses »Gehorsams«, wo nämlich entschieden wird, ob überhaupt noch gehorcht werden soll, ist die Befehl-Gehorsam-Korrelation gänzlich irrelevant. Die Beantwortung dieser Frage hängt von nichts anderem als der »Meinung« ab und natürlich der Zahl derer, die diese Meinung so oder anders teilen. Jetzt stellt sich auf einmal heraus, daß alles von der Macht abhängt, die hinter der Gewalt steht. Der plötzliche dramatische Machtzusammenbruch, wie er für Revolutionen charakteristisch ist, zeigt, wie sehr der sogenannte Gehorsam des Staatsbürgers - gegenüber den Gesetzen, den Institutionen, den Regierenden oder Herrschenden - eine Sache der öffentlichen Meinung ist, nämlich die Manifestation von positiver Unterstützung und allgemeiner Zustimmung.”
Die Macht hinter der Staatsgewalt, ist das, was auch Diktaturen in die Knie zwingen kann. Geben wir dieser Macht einen Namen: es ist die Autorität. Auch hier lassen wir die Schülerin Heideggers sprechen:
“Autorität, das begrifflich am schwersten zu fassende Phänomen und daher das am meisten mißbrauchte Wort, kann sowohl eine Eigenschaft einzelner Personen sein - es gibt persönliche Autorität, z. B. in der Beziehung von Eltern und Kindern, von Lehrer und Schülern - als einem Amt zugehören, wie erwa dem Senat in Rom (auctoritas in senatu) oder den Ämtern der katholischen Hierarchie (auch ein betrunkener Priester kann vermöge der Autorität des Amtes gültige Absolution erteilen). Ihr Kennzeichen ist die fraglose Anerkennung seitens derer, denen Gehorsam abverlangt wird; sie bedarf weder des Zwanges noch der Überredung.”
Wir müssen verstehen: Theoretisch hat JEDER Staat IMMER zu wenig Einsatzkräfte um alle, oder auch nur eine kritische Masse seiner Bürger zu kontrollieren. Er ist darauf angewiesen, dass eine Mehrheit freiwillig gehorcht und weder überredet, noch gezwungen werden muss. Die Einsatzkräfte konzentrieren sich dann, wie im “Whack-a-mole” Spiel auf die vereinzelten Dissidenten.
Was aber wenn alle Köpfe gleichzeitig auftauchen? Würden z.B. ab heute alle Deutschen beschließen ihren Müll illegal abzuladen, hätte der Staat nicht die Menschen und Mittel, sie alle zu kontrollieren und zu bestrafen. Dasselbe Prinzip gilt auch für gezielte politische Akte der “Nonkooperation”.
Der Begriff stammt aus der Theorie des zivilen Ungehorsams. Als Lehrbuchbeispiel gilt die Revolution Gandhis in Indien. Aber auch der Ruhrkampf gegen die französische Besatzung ist ein gutes historisches Exempel dieser Strategie.
Ihr Prinzip ist einfach: man gewinnt eine ausreicht große Masse die man zu einer gemeinsamen Handlung des Ungehorsams organisiert. Diese Handlung muss so störend sein, dass sie vom System nicht ignoriert werden kann, zugleich aber so harmlos, dass sie von der Mehrheit der Gesellschaft getragen wird und keine übermäßigen Reaktionen auslöst. In meiner “Wendeformel” drücke ich das so aus:
Masse x Organisation x Botschaft x Strategie = people power
Daraus entnehmen wir, dass auch die Botschaft und Forderung, die im zivilen Ungehorsam vertreten wird, anschlussfähig und massentauglich sein muss.
Wenn auch hinter einer kleinen Gruppe an blockierenden Bauern, oder campender Demonstranten, eine Mehrheit der Bevölkerung steht, droht dem Staat Autoritätsverlust, wenn er repressiv gegen sie vorgeht.
Doch er muss handeln. Wenn Proteste eine Störschwelle überschreiten übt er “gewaltlosen (Handlungs)zwang” aus. Wenn eine Forderung laut gemacht wird, die die herrschende Ideologie nicht tolerieren kann (zB Remigration), oder eine Handlung gesetzt wird, die disruptiv ist (Blockade von Straßen, Protestlager auf symbolischem Platz, Brechung der “Coronagesetze”), ist jede verzögerte Sekunde eine zu viel. Denn wenn eine physische Herausforderung der Autorität, sei es ein Banner, eine Demo, eine Blockade, oder auch nur ein Posting nicht sofort entfernt wird, regt es Nachahmer an, normalisiert die Botschaft und lässt die Autorität des Regimes sekündlich “ausrinnen”.
Niemals hätte zB die DDR auch nur eine Woche ein honeckerfeindliches, unübersehbares Straßenkreidegraffiti vor dem Staatsratsgebäude am Schloßplatz 1 dulden können. Die an sich harmlosen Kreidestriche, hätten eine katastrophale Wirkung für ihre Autorität und Abschreckungswirkung gehabt. Auch heute gilt in der BRD dasselbe, vorausgesetzt die Botschaft trifft einen “wunden Punkt”.
Autorität ist DIE Ressource der Macht. Geht sie aus, muss ein System immer mehr Gewalt anwenden um seine Politik durchzusetzen - oder eben Demokratie zulassen. Arendt beschreibt das mit einer genialen Metapher, die ich in mein “Repertoire” übernommen habe:
”So kann ein Vater seine Autorität entweder dadurch verlieren, daß er das Kind durch Schläge zwingt, oder dadurch, daß er versucht, es durch Argumente zu überzeugen. In beiden Fällen handelt er nicht mehr autoritär, in dem einen Fall tyrannisch, in dem anderen demokratisch.) Autorität bedarf zu ihrer Erhaltung und Sicherung des Respekts entweder vor der Person oder dem Amt. Ihr gefährlichster Gegner (So kann ein Vater seine Autorität entweder dadurch verlieren, daß er das Kind durch Schläge zwingt, oder dadurch, daß er versucht, es durch Argumente zu überzeugen. In beiden Fällen handelt er nicht mehr autoritär, in dem einen Fall tyrannisch, in dem anderen demokratisch.) Autorität bedarf zu ihrer Erhaltung und Sicherung des Respekts entweder vor der Person oder dem Amt. Ihr gefährlichster Gegner ist nicht Feindschaft sondern Verachtung, und was sie am sichersten unterminiert, ist das Lachen.”
Gelächter und Verachtung schlagen dem “Fährenflüchtigen” Habeck und seiner Clique von jedem Plakat der Bauerndemos entgegen. Kein Wunder, dass Linke so große Angst vor “Memes” haben. Unser Lachen ist ihr Kryptonit!




Fassen wir das Gesagte zusammen und übertragen es auf die Bauernproteste:
1. Entscheidend ist, dass eine ausreichend große Masse zu einem gemeinsamen Akt der Nonkooperation (Blockade, Streik, Besetzung, etc.) organisiert wird.
2. Dieser Akt muss so störend sein, dass es unmöglich ist, ihn zu ignorieren.
3. Eine Masse der Bevölkerung muss hinter dem Protest und hinter der Aktionsform stehen.
Die Chancen für die Bauern stehen nach dieser Analyse gut. Eine Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Protest, der für sie ein Proxythema für den aufgestauten Unmut mit der Ukraine-, Energie- und Migrationspolitik der Ampel ist. Die Anschlussfähige konkrete Forderung der Bauern eignet sich gut, um den allgemeinen Unmut zu kanalsieren. Zahlreiche Interviews, mit Bürgern die im Stau stehen und sich dennoch mit den Bauern solidarisieren unterstreichen das. Der bizarre Versuch der Leitmedien, die Bauern mit den, von ihnen protegierten “Klimaklebern” gleichzusetzen ist vollkommen gescheitert.
Zähneknirschend sehen das auch “Experten” ein wie etwa hier im FOCUS:
Nun ist es auch relativ einfach zu verstehen, warum die Aktionen der extremeren Klimaaktivisten und der Bauern unterschiedlich wahrgenommen werden: Die robusten Durchsetzungsversuche von Klimazielen gilt, ob nun mit Recht oder nicht, als Thema der dominanten, mutmaßlich regierenden Elite. Der Bauerprotest als Aufschrei der unbeachteten Mehrheit, der auch Milieus mobilisiert, die grundsätzlich mit den Landwirten nicht mehr gemein haben, als dass auch sie und ihre Bedürfnisse missachtet wurden. Das genügt aber für den ersten Sympathie- und Solidaritätseffekt.
Diese Massive Zustimmung verbürgt die Masse und einen hohen Wert an “people power”. Dazu kommt, dass die protestierende Gruppe eine vitalen Funktion für den Staat ausübt. Arbeitslose können schlecht in einen “Generalstreik” gehen. Bauern und Frächter schon. Dank dem schweren Gerät, über das sie frei verfügen, können Bauern, Frächter und Mittelständler passiven Widerstand so disruptiv anlegen, dass kein System ihn ignorieren kann. Ihre “Akte der Nonkooperation” geht über die Symbolwirkung von Demos weit hinaus.
Der Kern der Proteste ist, wie bei den Coronademos, jedoch auf konkrete Maßnahmen, und nicht gegen das System an sich gerichtet wie Phillip Stein richtig erkennt. Kann ein spezifisches Wirtschaftsthema wie Agrardiesel eine gesamtpolitische Wende bringen? Der Revolutionsforscher und “Farbrevolutionär” Srjdja Popovic erklärt es: totalitäre Regime stolpern allzu oft über scheinbare Randthemen. Kampagnen in denen es nicht ums große Ganze, sondern um etwas scheinbar “Banales” geht, geben ihnen den Rest. Der “Salzmarsch” Ghandis in Indien ist ein bekanntes Beispiel. Popovic schreibt dazu:
Wenn die Inder jedoch einen militärischen Feldzug organisierten, würden sie ausgelöscht werden. Aber wenn sie sich dafür entschieden, ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu handeln, würde die stärkste Karte, die die Briten hatten - ihr furchterregendes Militär - nicht gespielt werden. Wenn es Gandhi gelänge, all diese Millionen Inder unter einem einzigen, gewaltfreien Banner zu vereinen, würden die Briten überwältigt.
Dazu brauchte er allerdings einen Grund. Er hatte bereits die Unabhängigkeit Indiens gefordert und vom Selbstbestimmungsrecht des indischen Volkes gesprochen, aber das war ein bisschen zu abstrakt. Abstrakte Ideale können ein paar gleichgesinnte revolutionäre Seelen mobilisieren, aber Gandhi brauchte ein ganzes Land. Dafür musste er etwas Konkretes finden.
Er musste sich für eine Sache einsetzen, die so einfach und so unumstritten war, dass jeder Inder, unabhängig von Politik oder Kaste, sich ihm anschließen konnte. Und 1930 fand Ghandi seine Antwort: Salz.
Die maximal anschlussfähige, ökonomisch begründete Forderung der Inder, Salz aus ihrem eigenen Meer gewinnen zu dürfen, wurde zum “Proxythema” für die Vertreibung der englischen Kolonialmacht. Der Autoritätsverlust, denn die Besatzer in dieser erfolgreichen Kampagne des zivilen Ungehorsams erlitten, beschädigte ihre Fähigkeit zur Herrschaft so stark, dass der allgemeine Kontrollverlust nur eine Frage der Zeit war. Was ist konkrekter und verständlicher als Diesel und Brot? Vielleicht wird Diesel unser Salz…
Entscheidend dazu ist es, das Bewusstsein für das große Ganze bei den Protestierenden zu schärfen und die Union daran zu hindern Erfolge für sich zu vereinnahmen, wie sie das gerade im Erzgebirge versuchen.
Wichtig ist weiters zu verstehen, dass Demos, Blockaden und Proteste, bestehende Autoritätsprobleme eher sichtbar machen und ausnutzen als sie auszulösen. Es braucht “Vorarbeit”. Dazu zitiere ich einen Abschnitt aus “Regime Change von Rechts” indem ich die Nonstrategie der “Demowende” kritisiere:
Die Demowende ist keine Leitstrategie, sondern eine Taktik aus dem Arsenal der Nonviolent action, die zum Strategieersatz wurde. Platzbeset-zungen und Kundgebungen sind wichtige Werkzeuge in der Reconquista, aber keine aktionistischen Wunderwaffen, die aus sich eine Wende bewirken können. Hier täuschen die aus dem Ausland hinanzierten und gesteuerten »Farbrevolutionen« vom Tahir- bis zum Maidanplatz. Eine Protestbewegung baut hier stets in einer - durch kleinere Demos und Aktionen sowie virales Marketing geprägten - »Dispersions-phase« eine kritische Masse und ein metapolitisches Potential auf. Dieses wird dann in der »Konzentrationsphase« auf einem symbolischen Platz gesammelt.
Aus dieser Demo entwickelte sich meist ein Protest-lager, aus dem Protestlager eine Bürgerversammlung und Gegenregierung und damit eine nicht tolerier-bare Herausforderung der Autorität. In Agypten und der Ukraine führte diese Strategie, des (weitgehend) gewaltlosen Regimewechsels zum Erfolg. Der Versuch, sie in westlichen Demokratiesimulationen von linken (»Occupy Wallstreet«) oder anderen (Gelb-westen, Querdenker) Gruppen zu kopieren, war bislang nicht erfolgreich. Viele rechte Aktivisten kennen nur die Konzentrati-onsphase der Platzbesetzung, wissen aber nichts von der Gesamtstrategie der Farbrevolutionen. Massenkundgebungen und Platzbesetzungen sind taktische Werkzeuge, die im Rahmen ihrer Leitstrategie mit Maß und Ziel eingesetzt werden. Ist die metapolitische Lage nicht reif und die Herrschende Ideologie zu stark, so kann auch die größte Kundgebung keine direkte Wende bewirken. Eine Protestbewegung ohne relevante Gegenkultur, Theoriebildung und Strategie, ohne geschulte Kader, weltanschaulicher Geschlossen-heit, logistische Expertise etc. kann nicht mittels einer »großen Demo« eine Wende herbeiführen. (…)
Festzuhalten ist, daß die »Massendemo« kein Allheilmittel ist und nur im richtigen Kontext, als symbolischer Ausdruck massiver metapolitischer Macht, eine Wende herbeiführen kann. Erst wenn eine Bewegung stark genug ist, von einer Massendemo und Platzbesetzung in kollektiv organisierte Streiks und Blockaden überzugehen, die von einer Mehrheit des Volks unterstützt werden, übt dieses Werkzeug wirklich »gewaltlosen Zwang« aus. (…)
Vor allem aber: Die metapolitische Macht des Gegners ist dezentral und unsichtbar und entzieht sich dem gewaltsamen Zugriff in Form der militanten Volkserhebung. Die Herrschende Ideologie und ihre Meinungsklimaanlage können nicht durch die gewaltsame Besetzung eines Redaktionsgebäudes oder einer Universität überwunden werden. Der Aufruf zum militanten Volksaufstand und die gewaltsame »Entführung« gewaltfreier Massenkundgebungen durch extremistische Kleingruppen wirken verheerend. Die Vertreter einer militanten Volkserhebung sind damit nützliche Idioten, mit denen der Gegner eine erfolgreiche metapolitische Bewegung, gerade in ihrer Konzentrations- und Massenphase, kriminalisieren und zerschlagen kann.
Derzeit scheint die Regierung nicht weiter einlenken zu wollen. Die Bauern sind, ermutigt, durch den 8.1. wohl bereit weiter zu protestieren. Von angekündigten, und damit symbolischen Blockaden, könnten sie zu wirklich disruptiven Aktionen übergehen, wie sie in den Niederlanden vorgemacht wurden. In diesem Fall steht die Ampel, wie “Arendts Vater” vor der Wahl zwischen Repression und Adaption. Das heißt: brutale Zerschlagung oder “Verhandlungen”. Jederzeit könnte der Protest aber in sich zusammenbrechen, wenn seine zentralen Träger, die Bauern und Frächter aufgeben, sich abspeisen lassen und ihr schweres Gerät abziehen. Da die Mehrheit der Bevölkerung, anders als bei Corona, nicht direkt betroffen und die Temperatur eisig ist, ist es unwahrscheinlich, dass eine Massenmobilsierung den Verlust der Traktoren und LKWs aufwiegen könnte.
Für das dissidente Lager gilt es daher jetzt den Bauern den Rücken zu stärken und sie mit massiver, sichtbarer Solidarität zu motivieren. Je mehr sie den Rückenwind spüren, desto stabiler werden sie in ihren berechtigten Forderungen bleiben.
Lassen die Solidarität oder Aufmerksamkeit nach, würde der Protest der Bauern jedoch lebensgefährlich. Egal wie idealistisch, friedlich und zahlreich ziviler Ungehorsam auftritt. Lässt er den Großteil der Bevölkerung kalt, kann ihn ein Staat mit aller Gewalt beiseite räumen, ohne, dass seine Autorität schaden nimmt.
Die spektakulären Bilder vom Tian'anmen-Massaker, bewegten zwar die westliche Weltöffentlichkeit, waren aber der Zielgruppe, der chinesischen Bevölkerung, weit weniger wichtig.
Die einzige “Waffe”, die die Opposition hat, sind Aufmerksamkeit und Sympathie der Bevölkerung. Gewaltfreiheit und Anschlussfähigkeit sind daher eine Frage von Leben und Tod. Die Herausforderung der Autorität einer totalitären Struktur ist, immer eine riskante Angelegenheit. Wenn die “people power” nicht weit genug entwickelt ist, kann sie nach hinten losgehen. Nur eine “hegemoniefähige” Bewegung, die schon auf geistiger und emotionaler Ebene ganz, oder teilweise gewonnen hat, wird auch praktischer mit einem Generalstreik, und einer Platzbesetzung, oder eine Blockade Erfolg haben. Doch woher weiß man, ob man schon so weit ist?
Man kann nie exakt wissen, wie es im Inneren um eine System bestellt ist, wodurch Jürgen Elsässer mit seinem Primat der Praxis recht hat. Ob und inwieweit es sich bei unserem Staat mittlerweile um eine totalitäre Struktur handelt, wird auch sein Umgang mit diesen Proteste zeigen. Der Bauernaufstand ist sicher nicht der Abschluss, wohl aber ein neuer Qualitätssprung in der deutschen Widerstandsgeschichte!
Hier soll Hannah Arendt, um deren Analyse sich dieser Text rankt, das letzte Wort behalten:
”Die innere Zersetzung der Staatsmacht macht Revolutionen möglich; sie sind keineswegs eine notwendige, errechenbare Folge. Die Geschichte kennt zahllose Beispiele von völlig ohnmächtigen Staaten, die über lange Zeiträume fortbestehen konnten. Entweder gab es niemanden, der die bestehende Macht auch nur auf die Probe stellte, oder das Regime hatte das Glück, in keinen Krieg verwickelt zu werden und keine Niederlage zu erleiden. Denn Machtzerfall wird häufig nur manifest in direkter Konfrontation; und selbst dann, wenn die Macht schon auf der Straße liegt, bedarf es immer noch einer Gruppe von Menschen, die auf diese Eventualität vorbereitet und daher bereit ist, die Macht zu ergreifen und die Verantwortung zu übernehmen.”
PS: Alle Aussagen und Zitate in diesem Text beziehen sich auf Widerstandstheorie. Ich rufe damit nicht zu illegalen Handlungen auf und bekenne mich selbstverständlich zu allen vorgeschriebenen Meinungen, Gefühlen und Gesinnungen, in der besten Regierung die dieser beste Staat jemals hatte!