"Der faschistische Intellektuelle ist der radikale décadent. Er kann den ihn quälenden Wertnihilismus nur ertragen, weil er glaubt, daß sich das wirkliche Leben erst im Ausnahmezustand enthüllt; im Krieg oder im Augenblick der Gefahr. Diese Abhängigkeit vom Äußersten verrät die Schwäche für den Alltag, der auch seinen Heroismus hat. Die vitalistische Substanz wird gefeiert, weil sie fehlt. Nicht in ihr wurzelt die Gier nach starken Erregungen, sondern sie steigt aus dem Rausch und dem Traum, ist aus flüchtigem Stoff, nach der Anspannung, die ganz von der schönen Geste lebt, kommt die Erschöpfung, die Verzweiflung, der Zynismus. Der Ästhetiker der Gewalt und der Politik mag dann seine wichtigste Überzeugung wiederfinden: daß die einzige Realität im Leben die Illusion ist. Diese Überzeugung kann zu narzißhaften Entblößungen führen, zum Spielen mit erschreckenden Wahrheiten. Die Eitelkeit dessen aber, der elegant formulierend und mit kokettierender Schamlosigkeit auf seine Geschwüre zeigt, auf seine Amoralität und seine erschreckende Niedrigkeit, vermag zu betören. Die Eitelkeit, die Erkenntnis und die große ästhetische Form durchdringen sich und steigern einander."
Ein schneidend präzises Zitat von Günther Maschke. Es ist sowohl Psychogramm, als auch Phänomenologie, eines Typus, der das frühe 20. Jahrhundert prägte.
Das Sein erscheint in den Strahlen des Willens und des Lebens. Entsprechend der Gewichtung scheiden sich die konservativen Rebellen in nietzscheanische, technikaffine Futuristen und Nationalrevolutionäre, oder in ebenso nietzscheanische technikkritische Völkische. Heidegger dazu beißend am Beispiel Spenglers:
„Spengler - in ihm wird Nietzsches Umkehrung des Platonismus zur bloßen Herrschaft der bloßen »Tatsache« gegenüber der Ohnmacht der »Wahrheiten«, als welche er »Allgemeinheiten« des bloßen Meinens nimmt. Die Verherrlichung der »Tatsache«, die vielleicht die ödeste und zugleich blindeste »Romantik« darstellt, die für Spengler das Verächtlichste ist, führt zum letzten Austrag der Anpreisung des Römertums und Cäsarismus - der halbseitige Nietzsche, nur historischer und entschiedener als jener biologisch-sumpfige von Klages.”
Der stählerne, Arbeit, Technik und Staat bejahende, und der “biologisch-sumpfige”, romantische Nietzsche, das war aus Heideggerssicht das Spektrum der “Weltanschauungsphilosophie”. Der NS lag mit seiner völkischen Romantik und Technikaffinität genau im Schnittpunkt beider Bereiche und konnte daher die pragmatischen Kräfte beider Strömungen für sich gewinnen.
Beide Strömungen eint ihre Ontologie und ihre Stellung zum Sein. Daraus ergibt sich ein gleiches Menschenbild, Weltbild und Wahrheitsverständnis. Dieses folgt Nietzsche:
“Die Falschheit eines Urteils ist uns noch kein Einwand gegen ein Urteil; darin klingt unsre neue Sprache vielleicht am fremdesten. Die Frage ist, wie weit es lebenfördernd, lebenerhaltend, Art-erhaltend, vielleicht gar Artzüchtend ist; und wir sind grundsätzlich geneigt zu behaupten, daß die falschesten Urteile (zu denen die synthetischen Urteile a priori gehören) uns die unentbehrlichsten sind, daß ohne ein Geltenlassen der logischen Fiktionen, ohne ein Messen der Wirklichkeit an der rein erfundenen Welt des Unbedingten, Sich-selbst-Gleichen, ohne eine beständige Fälschung der Welt durch die Zahl der Mensch nicht leben könnte – daß Verzichtleisten auf falsche Urteile ein Verzichtleisten auf Leben, eine Verneinung des Lebens wäre. Die Unwahrheit als Lebensbedingung zu gestehn: das heißt freilich auf eine gefährliche Weise den gewohnten Wertgefühlen Widerstand leisten; und eine Philosophie, die das wagt, stellt sich damit allein schon jenseits von Gut und Böse.”
Diese lebensbejahenden, ästhetischen Philosophie ist nicht prinzipiell „gegen die Wahrheit“. Die universalistischen Wahrheit, sowohl in der Frage nach dem Ding an sich, nach der Richtigkeit der Namen (Universalienstreit) also auch nach der Überzeitlichkeit und Gültigkeit ihrer Urteile, ist für sie einfach nicht relevant und schon gar nicht mit „dem Guten“ gleichgesetzt. Das Wahre und Gute als Ideal wird durch das Macht- und Lebenssteigernde ersetzt. Insofern auch Schmerz, Wahn, Myhtos und Illusion lebenssteigernd wirken können, können auch sie wahr sein . Das Geltenlassen der logischen Fiktion ist das “Ja” zu Wahrheit als “notwendige Täuschung” für das Leben. Diese Lebensphilosophie schafft weder Moral, noch Wahrheit ab, sondern interpretiert sie schlicht anders. Nach Heidegger wird das Maß für Wahrheit bei Nietzsche eine „Steigerung des Machtgefühls“. Wahrheit ist „zu schaffen“ eine „Überwältigung, ein „aktives Bestimmen“. Der Übermensch ist das neue Subjekt, dass diese Form der Wahrheit und die Welt als Wille zur Macht, mit amor fati erträgt und nicht daran zugrunde geht.
Maschke beschreibt die psychische Verfassung dieses Typus: “Die vitalistische Substanz wird gefeiert, weil sie fehlt. Nicht in ihr wurzelt die Gier nach starken Erregungen, sondern sie steigt aus dem Rausch und dem Traum, ist aus flüchtigem Stoff, nach der Anspannung, die ganz von der schönen Geste lebt, kommt die Erschöpfung, die Verzweiflung, der Zynismus.”
Die selbstgeschaffene Wahrheit, der selbstgesetzte Wert und die selbstinduzierte Ekstase, sind bei aller Betonung der Macht, des Willens und der Härte letztlich schwächer, als die Konkurrenzmodelle, von Heideggers Aletheia, bis zur Wahrheit der christlichen Scholastik. Ironischerweise ist gerade jene Ideologie die dem Leben selbst nachjagt und es um jeden Preis steigern will, gerade aufgrund der beschriebenen Dynamik selten in der Lage lebensfähige Gemeinschaften, Persönlichkeiten und Systeme zu schaffen.